20210312

COVID-19 und Arzneimittelqualität

Die pharmazeutische Industrie hat in den vergangenen Jahrzehnten enorme Anstrengungen unternommen, um Arzneimittel mit hohem Qualitätsanspruch zu entwickeln und diese dann Charge für Charge nach den entsprechenden Standards zu produzieren. Diese Entwicklung ging Hand in Hand mit der Festlegung von Zulassungsanforderungen durch die nationalen und internationalen Behörden in entsprechenden Guidelines, zu deren Erarbeitung auch pharmazeutische Wissenschaftler aus Industrie und Hochschule beigetragen haben.

Die Corona-Pandemie hat hinsichtlich der ausreichenden Verfügbarkeit bestimmter Arzneimittel und Medizinprodukte neue Herausforderungen gebracht, die auch bei uns die medizinische Versorgung in einigen Bereichen an Grenzen geführt hat. Dies gilt vor allem für Produkte, deren Herstellung in den vergangenen Jahrzehnten sukzessive aus Deutschland und Europa in Billiglohnländer verlagert worden sind. Aber auch die Herstellung von den für die Arzneimittelformulierung benötigten Rohstoffen war davon betroffen, sobald diese unter den strengen Umweltstandards in der Europäischen Union nicht zu konkurrenzfähigen Preisen angeboten werden konnten.

Zwangslizenzen für Impfstoffe?
Hoffnungen & Sehnsüchte ohne realistische Perspektive

Verschiedentlich wurde in den letzten Wochen die Forderung nach „Zwangslizenzen“ für patentgeschützte COVID-19 Impfstoffe als Allheilmittel zur Lösung der Impfstoffknappheit entdeckt. Der Öffentlichkeit wird dadurch der Eindruck – aber auch die Hoffnung – vermittelt, die Mangelsituation könnte so in kürzester Zeit, am besten in Tagen oder wenigen Wochen, gelöst werden. Aber wäre dies wirklich realisierbar und kann solch eine Forderung somit zielführend sein? In Kenntnis der Schwierigkeiten, die generell mit der Etablierung einer Arzneimittelproduktion an einem neuen Standort verbunden sind – noch dazu bei solch komplexen Verfahren wie der Herstellung von Impfstoffen – ist die mit dieser Forderung verbundene Perspektive sicherlich nicht realistisch.

Angesichts der enormen Anstrengungen, die Firmen unternehmen müssen, um Arzneimittel mit der erforderlichen Qualität konsistent zu produzieren, ist ein kurzfristiger Aufbau der hierfür benötigten Anlagen und vor allem die Durchführung aller dann noch erforderlichen Maßnahmen zur Validierung der Qualität unrealistisch. Die angestrebte Produktion zusätzlicher Impfstoffmengen wäre erst nach Monaten möglich.

Umso erfreulicher sind die Allianzen und Kooperationen der Patent- und Zulassungsinhaber von COVID-19 Vakzinen und pharmazeutischen Unternehmen, um Forschung und Entwicklung sowie Zulassung voranzutreiben und die Produktionskapazitäten zu erhöhen.

Rückführung der Arzneimittelproduktion nach Europa

Ähnliches gilt im Übrigen auch für die im Rahmen der Pandemie verschiedentlich geforderte Verlagerung der Arzneimittelproduktion von den asiatischen Standorten zurück nach Europa bzw. Deutschland. Diese Initiative ist grundsätzlich zu begrüßen, aber auch in diesem Fall ist die Umsetzung mit großen Herausforderungen verbunden. Es handelt sich nämlich nicht nur um einen einfachen Standortwechsel (dafür gibt es klare regulatorische Anforderungen), sondern es kommen andere Probleme dazu, wie zum Beispiel die Frage der Verfügbarkeit identischer Hilfsstoffe und der Zugang zu den entsprechenden Lieferanten. Nicht in jedem Fall – vor allem nicht bei an Subunternehmen ausgelagerter Produktion – wird das reibungslos möglich sein. Wenn aber andere Rohstoffe verwendet werden müssen und gegebenenfalls Modifizierungen der Herstellverfahren unumgänglich sind, könnten Veränderungen der Qualität resultieren, die im Einzelfall sogar weitere klinische Untersuchungen erforderlich machen würden.

Die Frankfurt Foundation Quality of Medicines wird die Entwicklungen aufmerksam verfolgen und die erforderliche Fachdiskussion aktiv begleiten.

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